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Vom Datenfriedhof zum Kultur-Hackathon

Vom Nutzen digitalisierter Museumssammlungen

03.05.2023

Schon vor der Pandemie haben sich viele Museen mit der Digitalisierung ihrer Sammlungen beschäftigt, über offene Lizenzen zur Weiternutzung der Digitalisate diskutiert und einen breiten Zugang über verschiedene Internetplattformen angestrebt. So wichtig diese Grundlagenarbeit ist, stellt sie doch nur eine Seite des digitalen Demokratisierungsversprechen dar. Auf der anderen Seite steht die Nutzung der digitalisierten Sammlungen, durch die ihr soziales Potenzial erst ausgeschöpft wird. Obwohl die Bedeutung der Objekte für Nutzer*innen außerhalb des Museums ein wiederkehrendes Argument für Digitalisierungsprojekte ist, sind die Interessen und Praktiken dieser Nutzer*innen im Umgang mit digitalen Objekten noch wenig erforscht (Clough et al., 2017). Diese Wissenslücke wurde im Rahmen der Lockdown-Erfahrungen sichtbar als viele Museen sich zum ersten Mal damit konfrontiert sahen, über die Nutzung von Objekten zum digitalen Lernen, Entspannen oder Kreativwerden nachzudenken.

In diesem Beitrag schlage ich vor, dass wir uns vor der nächsten Pandemie wappnen und endlich die Perspektive von Nutzer*innen kennenlernen. Eine gute Möglichkeit dafür bieten beispielsweise Kultur-Hackathons, in denen miteinander neue Nutzungsszenarien entwickelt werden. Das Format Hackathon – bestehend aus ‚hacking‘ und Marathon – kommt aus der Technologie-Szene und basiert auf partizipativen Design-Konzepten: in einem begrenzten Zeitraum wird die interessierte Öffentlichkeit dazu eingeladen entlang eines Design Sprints kreativ zu werden. Das Zusammenspiel von Spontaneität, Interdisziplinarität und Praxis fördert neue Perspektiven zutage. Lodato und di Salvo beschreiben diesen Prozess als „collective imagination of how future users could themselves participate in an issue through the props attendees are constructing” (Lodato and DiSalvo, 2016: 554). Da Hackathons auf die Präsentation greifbarer Prototypen abzielen, realisieren die Hacker*innen eine der vielen Möglichkeiten und tragen so zu unseren “social imaginaries” bei (ebd.). Im Rahmen von Kultur-Hackathons spricht Moura de Araújo von einer neuen konstruktivistischen Methode der Interpretation. Sie macht diePotenziale von digitalisierten Kultursammlungen sichtbar, die im Museum bislang kaum realisiert werden: das sensorische Eintauchen in Kulturdaten, die narrative Qualität verschiedener Medien und die Spannung zwischen den historischen Zeugnissen und Fragen der Gegenwart. Die kreativen Praktiken der Nutzer*innen sind der Schlüssel zu diesen Potenzialen, die in der Virtualität digitaler Objekte liegen: „To the hacker there is always a surplus of possibility expressed in what is actual, the surplus of the virtual. This is the inexhaustible domain of what is real but not actual, what is not but which may become” (Wark, 2004).

Die Digitalisierung der Sammlungen macht sie fluider, angreifbarer und voller Möglichkeiten. Objekte werden dadurch anschlussfähig für Fragen des Alltags und persönliche Interessen. Das Internet bietet eine Infrastruktur, um die Daten bereit zu halten und Kommunikation zu ermöglichen. Aber ein „digital contact network“ (Hogsden et al., 2012), ein soziales Netzwerk oder Rahmen in dem die Objekte sinnstiftend sind und Bedeutung geschaffen wird, braucht es. Dieser Rahmen kann im Kontext von co-kreativen Veranstaltungen entstehen oder durch digitale Formen der Zusammenarbeit. Ganz gleich welche Form gewählt wird, es ist die Aufgabe der Museen basierend auf einer „logic of care“ (Morse, 2021) Kollaborationen zu entwickeln und Partnerschaften zu knüpfen, damit solche Netzwerke entstehen und das Potenzial umgewandelt wird. Nur so können sie die Sammlungen, die sie für die Öffentlichkeit bewahren, für die Menschen fruchtbar und relevant machen.

Franziska Mucha

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